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Der Zugang zu Gerichten
im Umweltschutz

Die dritte Säule der Aarhus-Konvention bezieht sich auf den Zugang zu gerichtlichen Verfahren oder sonstigen unabhängigen Überprüfungsmechanismen (Artikel 9).

Artikel 9 der Konvention unterscheidet zwischen dem Zugang zu Überprüfungsverfahren in drei Fällen:

  1. Bei der Verletzung des Informationszugangsrechts (Artikel 4).
  2. Bei Verletzungen, die aus der Öffentlichkeitsbeteiligung an umweltbezogenen Entscheidungsverfahren (Artikel 6) resultieren. Diese Rechtsschutzmöglichkeiten sind spezifisch auf die Konvention zugeschnitten.
  3. Bei Verstößen gegen innerstaatliches Umweltschutzrecht. Dafür ist ein generelles Zugangsrecht zu Gerichten in Artikel 9 Absatz 3 normiert.

Darüber hinaus sind in Artikel 9 Absätze 4 und 5 allgemeine verfahrensrechtliche Grundsätze formuliert, die bei allen Konstellationen zu beachten sind.

 

Bei Umwelt­informations­anfragen

Artikel 9 Absatz 1 regelt Beschwerdemöglichkeiten, wenn Behörden den Umweltinformationsanspruch der Bürger*innen verletzen. Der Artikel formuliert eine Reihe von Fallkonstellationen möglicher Verletzungen, wobei die Vorschrift zum Schluss einen Auffangtatbestand enthält, der immer dann greift, wenn die anderen Varianten nicht greifen, so bei:

  • Der vollständigen Ignorierung des Informationsantrags;
  • Der gänzlichen oder teilweisen Ablehnung des Antrags ohne vorgesehenen Ablehnungsgrund;
  • Der unzulänglichen Beantwortung des Antrags; sowie
  • Jedem auf andere Weise nicht in Übereinstimmung mit Artikel 4 bearbeiteten Antrag.

Die Überprüfung kann durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige und unparteiische Stelle erfolgen (Artikel 9 Absatz 1 Satz 2). Die Entscheidungsgründe sind zumindest dann, wenn eine Behörde den Antrag abgelehnt hat, durch die Überprüfungsinstanz zu verschriftlichen (Artikel 9 Absatz 1 Satz 4).

 

Bei Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen

Bürger*innen und Umweltverbände sind bei bestimmten behördlichen Zulassungsverfahren und bei sonstigen Tätigkeiten mit erheblichen Umweltauswirkungen zu beteiligen (Artikel 6). Unter bestimmten Voraussetzungen steht der betroffenen Öffentlichkeit ein nationales Überprüfungsverfahren, mithin auch der verwaltungsgerichtliche Klageweg offen, womit sie die relevanten behördlichen Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen prüfen lassen können (Artikel 9 Absatz 2). Die Regelung ist so formuliert, dass in ganz unterschiedlichen Rechtsordnungen der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten garantiert ist. Betroffene Bürger*innen müssen entweder ein ausreichendes Interesse (Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe a) oder eine Rechtsverletzung (Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe b) nachweisen. Umweltverbände verfügen über eigene Verbandsklagerechte (Artikel 9 Absatz 2 Satz 3 f.). Bevor es zu einer Klage vor einem Verwaltungsgericht kommt, kann vorgängig ein Überprüfungsverfahren durch Verwaltungsbehörden vorgesehen sein (Artikel 9 Satz 5).

 

Bei Verstößen gegen Umweltrecht

Artikel 9 Absatz 3 sieht die gerichtliche oder verwaltungsinterne Überprüfungsverfahren vor, wenn gegen nationales Umweltrecht verstoßen wird. Diese Klagemöglichkeit knüpft im Unterschied zu den vorangegangenen Überprüfungsmöglichkeiten nicht an konkrete Informationsgesuche oder Beteiligungen an, sondern beschreibt eine allgemeine und umfassende gerichtliche Überprüfung bei Verstößen gegen innerstaatliches Umweltrecht. Die Konvention begründet eine grundsätzliche Pflicht, einen verwaltungsgerichtlichen und zivilgerichtlichen Rechtsschutz zu eröffnen. Allerdings ist nicht ganz klar, für welche Fälle und in welcher Weise solche Überprüfungsmöglichkeiten durch die Staaten ausgestaltet werden sollen. Konkrete Verpflichtungen zur Umsetzung des Artikels 9 Absatz 3 müssen somit aus dem Gesamtkontext der Konvention, ihrem Entstehungs- und Verhandlungsprozess sowie dem Geist und dem Ziel der Konvention ermittelt werden. Klar ist jedoch, dass der innerstaatliche Rechtsschutz nicht so ausgestaltet sein darf, dass Umweltverbandsklagen praktisch nicht zulässig sind. Das hat sowohl das Aarhus-Komitee als auch der Europäische Gerichtshof bestätigt.

 

Verfahrens­grundsätze

Artikel 9 Absatz 4 sieht einen angemessenen und effektiven Rechtsschutz vor. Darunter fällt auch die Möglichkeit eines vorläufigen Rechtsschutzes (Artikel 9 Absatz 4 Satz 1 erster Halbsatz). Die Verfahren müssen ferner fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer sein (Artikel 9 Absatz 4 Satz 1 zweiter Halbsatz). Alle Entscheidungen sind schriftlich festzuhalten (Artikel 9 Absatz 4 Satz 2). Für Umweltverbände und die interessierte Öffentlichkeit ist außerdem von großer Bedeutung, dass Gerichtsentscheidungen vorbehaltslos, wann immer möglich, öffentlich zugänglich sein müssen. Entscheidungen nicht gerichtlicher Organe – beispielsweise einer Ombudsstelle – sind, wenn möglich, ebenfalls zugänglich zu machen.

Artikel 9 Absatz 4 Satz 3 AK:

„Gerichts­entscheidungen und möglichst auch Entscheidungen anderer Stellen sind öffentlich zugänglich.“

Artikel 9 Absatz 5 sieht gleichzeitig vor, dass Bürger*innen über ihren Zugang zu gerichtlichen und behördlichen Überprüfungsverfahren zu informieren sind. Die Vertragsparteien sind angehalten, angemessene Unterstützungsmechanismen zu schaffen, die finanzielle oder sonstige Hürden für den Gerichtszugang beseitigen oder verhindern.