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Vorab­entscheidungs­verfahren und
Vertrags­verletzungs­verfahren

Sollen Handlungen der Mitgliedstaaten gerichtlich überprüft werden, sind zwei Verfahren möglich:

  • Vorabentscheidungsverfahren (Artikel 267 AEUV), oder
  • Vertragsverletzungsverfahren (Artikel 258 ff. AEUV).

Vorabentscheidungsverfahren

Eine indirekte Klageart ist das Vorabentscheidungsverfahren, bei dem ein mitgliedstaatliches Gericht eine oder mehrere Fragen zur Anwendung des Unionsrechts an den Europäischen Gerichtshof stellt.  Das nationale Gericht legt die Frage(n) zur Auslegung oder Gültigkeit einer Bestimmung des unionalen Rechts gemäß seinen nationalen Verfahrensregeln vor, in Deutschland beispielsweise in Form eines gerichtlichen Beschlusses. Handelt es sich um ein in letzter Instanz entscheidendes Gericht – in Deutschland beispielsweise das Bundesverwaltungsgericht – ist die Anrufung des Gerichtshofs zwingend vorgeschrieben.

Individualkläger*innen haben keinen direkten Einfluss darauf, ob ein nationales Gericht die Anwendungsfrage dem Europäischen Gerichtshof tatsächlich vorlegt. Die durchschnittliche Verfahrensdauer beträgt rund 16 Monate.

Vertragsverletzungsverfahren

Die Europäische Kommission kann ein Vertragsverletzungsverfahren gegen einen Mitgliedstaat einleiten, wenn dieser gegen europäisches Umweltrecht verstößt. Beispielsweise werden von der Europäischen Kommission gegen Deutschland regelmäßig Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, weil die Landwirt*innen die landwirtschaftlichen Nutzflächen überdüngen und somit den guten Zustand der Grund- und Oberflächenwasserkörper gefährden (und damit gegen die EU-Nitratrichtlinie und Wasserrahmenrichtlinie verstoßen). <sup>1

Auch Mitgliedstaaten können den Europäischen Gerichtshof anrufen, wenn sie die Auffassung vertreten, dass ein anderer Mitgliedstaat gegen europäisches Umweltrecht verstößt.

Einzelpersonen oder Verbände können kein formelles Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Sie können jedoch eine Beschwerde über einen Verstoß gegen EU-Recht durch einen Mitgliedstaat an die Kommission richten. Damit kann die Öffentlichkeit die Europäische Union auf potenzielle Verstöße gegen europäisches Umweltrecht aufmerksam machen. Durch eine Meldung entstehen keine unmittelbaren Kosten.

Elektronisches Beschwerdeformular zur Meldung eines Verstoßes von unionalem Umweltrecht an die Europäische Kommission:
https://ec.europa.eu/assets/sg/report-a-breach/complaints_de/index.html

Beschwerden können auch schriftlich in Briefform, per Telefax oder E-Mail an sg-plaintes@ec.europa.eu übermittelt oder per Post gesendet werden:

Generalsekretariat
Europäische Kommission
Rue de la Loi 200/ Wetstraat 200
1049 Bruxelles/Brussels
Belgium

Die Beschwerde kann bei jeder nationalen Vertretung der Kommission abgegeben werden. In Deutschland gibt es beispielsweise in Berlin, Bonn und München (Regional)Vertretungen der Europäischen Kommission:
https://ec.europa.eu/germany/

Zu beachten ist jedoch, dass die Kommission nicht grundsätzlich dazu verpflichtet ist, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Sie leitet ein Verfahren lediglich ein, wenn sie als „Hüterin der EU-Verträge“ die vollständige Vereinbarkeit des mitgliedstaatlichen Rechts mit dem Unionsrecht und deren ordnungsgemäße Anwendung sicherstellen will. Die Kommission ruft gegebenenfalls den Europäischen Gerichtshof an (Vertragsverletzungsklage gemäß Artikel 258 AEUV).

Weiterführende praktische Informationen zu Beschwerden an die EU-Kommission sind hier zu finden:

Internetauftritt des Deutschen Naturschutzrings (EU-Koordination), Beschwerde an die EU-Kommission.

1 Siehe zum Beispiel EuGH, C-543/16, Kommission gegen Deutschland.