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Rechte einklagen in Deutschland

Bürger*innen und Umweltverbände können rechtliche Wege nutzen, um sich für die Umwelt einzusetzen. Ihnen stehen zahlreiche Verwaltungs-, Beschwerde- oder Gerichtsverfahren zur Verfügung, um Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen von Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden überprüfen zu lassen.

Personen, die einen Antrag auf Umweltinformationen bei einer informationspflichtigen Stelle des Bundes gestellt haben, die diese ganz oder teilweise abgelehnt hat, können auf die Herausgabe der Umweltinformationen klagen.

Hat eine Zulassungsbehörde Sie gar nicht oder nicht richtig bei einem formellen umweltbezogen Entscheidungsverfahren beteiligt, steht Ihnen der Verwaltungsgerichtsweg offen.

Schädigt etwa ihr Nachbar oder ihre Nachbarin die Umwelt, können Sie gegen ihn vor den Zivilgerichten klagen. Bestimmte Umweltschäden können auch bei der zuständigen Behörde angezeigt werden, die die oder den Umweltschädiger*in zur Sanierung des Schadens veranlassen kann. In ganz gravierenden Fällen kann auch das Umweltstrafrecht greifen. Dann kann jede Person oder Umweltverbände Strafanzeige gegen die oder den Täter*in stellen.

Auch vor den deutschen Verfassungsgerichten können Beschwerden gestellt werden, wenn der Bund und die Länder durch mangelnden Umwelt- und Klimaschutz die Grundrechte gegenwärtiger und künftiger Generationen gefährden.

Darüber hinaus kann sich ein überindividueller Rechtsschutz aus anderen verwandten Rechtsbereichen ergeben, die auch dem Umweltschutz dienlich sind, unter anderem:

  • Verbraucherschutzklagen
  • Tierschutzverbandsklagen

Auch das Europäische Beihilfenrecht sieht relevante Klagerechte vor.

Zusätzlich besteht für Umweltverbände und Personen die Möglichkeit, sich bei der Europäischen Kommission zu beschweren, wenn Deutschland unionales Umweltrecht nicht einhält (Beschwerde zur Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahren).

Verwaltungsrechtliche Klagerechte

für Privatpersonen

Wenn Sie durch die Handlung oder Entscheidung einer Behörde in Ihren Rechten verletzt werden, können Sie eine Verwaltungsklage erheben. Damit kann die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsentscheidungen überprüft werden. Eine Klage ist auch möglich, wenn die Behörde hätte handeln müssen, jedoch entgegen dieser Pflicht Ihnen gegenüber bisher untätig geblieben ist. Bei Handlungen von Privatpersonen, z. B. wenn ein*e Nachbar*in Umweltschäden verursacht, müssen Sie hingegen vor einem Zivilgericht klagen.

Eine Verwaltungsklage kann verschiedene Formen annehmen, darunter die Anfechtungsklage und die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Verwaltungsgerichtordnung (VwGO).

Neben diesen Klagearten gibt es noch speziellere Klagearten, wie z. B. die Feststellungsklage über das (Nicht-)Bestehen eines Rechtsverhältnisses, § 43 VwGO oder die Leistungsklage, vgl. §§ 43 Abs. 2, 111, 113 Abs. 4 VwGO).

Privatpersonen müssen geltend machen, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Das bedeutet, dass Sie sich auf ein Recht berufen müssen, das Sie direkt persönlich schützt oder Ihnen bestimmte Ansprüche gewährt. Beispielsweise befindet sich in der Nähe Ihres Hauses eine Fabrik, die gefährliche Chemikalien in die Luft abgibt. Dies führt dazu, dass Sie Hautausschläge und Atembeschwerden bekommen. Somit sind Sie in Ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit verletzt.

Wenn z. B. eine Behörde den Bau einer Autobahn genehmigt, ohne dass eine verpflichtende Öffentlichkeitsbeteiligung stattgefunden hat und Sie sich dagegen wehren wollen, so handelt es sich um eine Anfechtungsklage. Anfechtungsklagen richten sich also gegen bereits ergangene Verwaltungsentscheidungen und zielen darauf ab, sie aufzuheben. Wollen Sie dagegen z. B. die Herausgabe von Umweltinformationen erreichen, die Ihnen eine Behörde vorenthält, müssen Sie Verpflichtungsklage erheben. Die Verpflichtungsklage zielt darauf ab, die Verwaltung zu einer bestimmten Entscheidung Ihnen gegenüber zu verpflichten, die sie hätte vornehmen müssen, aber bisher unterlassen hat.

Auch wenn kein eigenes Recht verletzt ist, besteht die Möglichkeit, dass Ihr Anliegen von einem anerkannten Umweltverband im Wege der Umweltverbandsklage geltend gemacht werden kann!

Verwaltungsklagen müssen in der Regel innerhalb einer bestimmten Frist nach Bekanntgabe der Verwaltungsentscheidung erhoben werden. Je nach Bundesland muss vor Klageerhebung ein Widerspruchsverfahren durchgeführt werden. Teilweise haben die Bundesländer das Widerspruchsverfahren abgeschafft, sodass direkt gegen die Entscheidung geklagt werden kann. Daher ist es wichtig, dass Sie sich die Rechtsschutzbelehrung in dem Bescheid ansehen.

Das Widerspruchsverfahren soll der Behörde – vor Erhebung einer Klage – die Möglichkeit schaffen, ihr eigenes Handeln zu korrigieren. Nachdem eine Behörde ihre Entscheidung bekannt gegeben hat, können Betroffene innerhalb einer bestimmten Frist schriftlich einen Widerspruch bei der Behörde einlegen. Die Behörde überprüft daraufhin ihre Entscheidung erneut. Erst wenn die Behörde das Begehren erneut ablehnt, ist der Rechtsweg eröffnet.

Zivilklagen

Wenn Sie durch die Handlung einer Privatperson oder eines Unternehmens in Ihren Rechten verletzt werden, können Sie eine Zivilklage erheben. Bei Zivilklagen geht es z. B. um Ansprüche aus Eigentumsverletzung oder um Schadensersatz.

Schadensersatz kann auch aufgrund der Handlungen von Behörden geltend gemacht werden. Verletzt ein*e Amtsträger*in seine*ihre Pflichten und fügt dadurch Bürger*innen Schaden zu, kann der Staat zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet sein. Diesen Anspruch müssen Sie auch vor den Zivilgerichten einklagen.

Entsorgt ein*e Nachbar*in beispielsweise Chemikalien in Ihrem Garten und zerstört damit Ihr Blumenbeet, können Sie vor einem Zivilgericht die Beseitigung des Schadens oder Ersatz für den entstandenen Schaden von Ihrem Nachbarn einfordern. Ein bekanntes Beispiel wäre auch die Klage des peruanischen Bergführers und Kleinbauern Saúl Luciano Lliuya. Er klagt gegen den Energiekonzern RWE und fordert Schadensersatz für die durch den Klimawandel verursachten Schäden, die seine Lebensgrundlage bedrohen. Er argumentiert, dass RWE als großer Kohlenstoffemittent erheblich zur globalen Erwärmung beigetragen hat, die das Abschmelzen von Gletschern in den Anden und daraus resultierende Wasserknappheit verursachte.

Für strafrechtlich relevantes Verhalten greift das Umweltstrafrecht.

Verletzt eine Behörde und nicht eine Privatperson Ihre Rechte, können Sie eine Verwaltungsklage einreichen.

Umwelthaftung

Das Umwelthaftungsrecht dient der Vermeidung und Behebung von Umweltschäden. Es macht Unternehmen und andere Personen haftbar, wenn sie Schäden an der Umwelt verursachen. Die Schädigung muss von bestimmten Einrichtungen ausgehen, die Umweltgefahren verursachen können. Solche Anlagen können typischerweise Abfallentsorgungsanlagen, Kraftwerke, Industrieanlagen oder Abwasseranlagen darstellen. Eine genaue Auflistung der Anlagen findet sich im Anhang 1 zu § 1 Umwelthaftungsgesetzes (UmweltHG).

Das Umwelthaftungsrecht kann öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Natur sein. Soweit es um den Ersatz von Schäden an Personen oder Sachen geht, ist das Umwelthaftungsgesetz (UmweltHG) anwendbar. Dieses Gesetz soll dazu beitragen, die Umwelt zu schützen und gleichzeitig die Rechte der Geschädigten zu stärken.

Wenn Personen oder Sachen durch eine Anlage, wie z. B. eine Abfalldeponie, geschädigt werden, muss grundsätzlich der*die Inhaber*in der Anlage für den entstandenen Schaden aufkommen. Die geschädigte Person muss nur darlegen können, dass die Anlage geeignet war, den Schaden zu verursachen.

Gemäß § 2 Nr. 1 USchadG liegt ein Umweltschaden vor, wenn eine Schädigung von Arten und natürlichen Lebensräumen, Gewässer oder des Bodens gegeben ist.

§ 1 UmweltHG besagt, dass der*die Inhaber*in einer Anlage für Schäden, die durch die Anlage verursacht werden, haftbar gemacht werden kann, auch wenn ihn*sie selbst kein persönliches Verschulden trifft. Für die Haftung reicht es aus, dass die Anlage vorhanden ist und betrieben wird (Gefährdungshaftung).

Wenn ein Unternehmen illegal Abfälle in ein Gewässer einleitet und dadurch das Wasser verschmutzt, können die Behörden den*die Verursacher*in zur Sanierung des Schadens verpflichten. Grundlage dafür ist das Umweltschadensgesetz (USchadG). Grundsätzlich wird die Behörde „von Amts wegen“, also von sich aus, tätig. Betroffene oder Umweltverbände können jedoch einen Antrag auf Tätigwerden der Behörde stellen.

Darüber hinaus gibt es spezialgesetzliche Regelungen, die eine privatrechtliche Haftung des Anlageninhabenden beinhalten, wie z. B. die Ausgleichspflicht gem. § 14 Satz 2 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG).

Umweltstrafrecht

Das Umweltstrafrecht stellt umweltschädliche Handlungen unter Strafe, um unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen. Ob es sich bei einem Verstoß um eine Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat handelt, hängt von der Schwere der Tat ab und ist gesetzlich geregelt.

Um eine Ordnungswidrigkeit handelt es sich z. B., wenn jemand eine Fabrik ohne die erforderliche Genehmigung errichtet (§ 62 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 BImSchG). In diesem Fall kann eine Geldbuße bis 50.000 Euro verhängt werden. Weitere Ordnungswidrigkeiten finden sich z. B. im Bundesnaturschutzgesetz (BNatschG), Wasserhaushaltsgesetz (WHG) sowie im Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG).

Besonders gravierende Fälle von Straftaten gegen die Umwelt sind in den §§ 324 – 330d Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Wenn jemand seine alten Winterreifen in einen Fluss wirft, um sie zu entsorgen, handelt es sich um eine Gewässerverunreinigung gem. § 324 StGB und kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft werden. Strafvorschriften finden sich aber auch in anderen Gesetzen, wie z. B. § 71 BNatSchG.

Umweltstraftaten und Ordnungswidrigkeiten knüpfen häufig an die Verletzung von Umweltverwaltungsrecht an. Das heißt, für die Verwirklichung einer Umweltstraftat oder einer Ordnungswidrigkeit ist es häufig erforderlich, dass gegen eine Vorschrift des Umweltverwaltungsrechts verstoßen wurde. Es kann daher vorkommen, dass dann die Strafgerichte umweltrechtliche Fragestellungen prüfen müssen.

Umweltverbandsklagen

30.07.2024: Eine Novellierung des Umweltrechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) ist angekündigt. Derzeit gibt es zwei Entwürfe. Den Referentenentwurf zur Änderung des UmwRG und der Alternativvorschlag, welcher eine Generalklausel für Entscheidungen nach Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention enthält. Die Umweltverbände haben einen eigenen Entwurf erarbeitet.

Der Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten ist in Deutschland ist in unterschiedlichen Gesetzen geregelt und berührt verschiedene Rechtsgebiete. Umweltverbände können die Rechte der Natur vor Gericht vertreten. Sie haben so etwa die Möglichkeit, gegen die meisten behördlichen Genehmigungen und Entscheidungen in Umweltangelegenheiten Rechtsmittel einzulegen. Dafür müssen sie sich nicht auf individuelle Rechte berufen, wie etwa auf den Schutz des Eigentums von Privatpersonen. Sie können vielmehr umweltrechtliche Schutzgesetze ins Feld führen, die z. B. Tier- und Pflanzenarten oder Naturschutzgebiete schützen, und so in deren Namen die Einhaltung von umweltrechtlichen Standards einfordern. Dies ist die sog. Umweltverbandsklage, die im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG), im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) geregelt ist. Gegen welche behördlichen Entscheidungen Umweltverbände Rechtsbehelfe einlegen können, ist in § 1 Abs. 1 UmwRG sowie § 64 Abs. 1 BNatSchG aufgeführt.

So kann ein anerkannter Umweltverband z. B. gegen die Entscheidung einer Behörde über die Genehmigung einer Abfallverbrennungsanlage klagen. Es handelt sich dabei um einen sog. Umwelt-Rechtsbehelf.

Umweltverbände können eine Anerkennung gem. UmwRG beantragen. Durch eine Anerkennung erlangen sie besondere Beteiligungs- und Klagerechte. Eine Anerkennung findet durch das Umweltbundesamt und der Anerkennungsbehörden der Länder statt.

Umweltverbände haben als Anwälte der Natur darüber hinaus besondere Beteiligungsrechte.

Wichtig: Maßnahmen, die nicht in § 3 UmwRG oder § 63 BNatschG aufgeführt sind, können bisher nicht mittels der Umweltverbandsklage angegriffen werden. Zudem müssen klagende Verbände die sog. Präklusion gem. § 6 UmwRG beachten. Diese regelt, dass im Gerichtsverfahren nur die Einwendungen berücksichtigt werden, die von dem Umweltverband innerhalb der geltenden Verfahrensfristen detailliert vorgebracht wurden. Klagt beispielsweise ein anerkannter Umweltverband gegen die Genehmigung zur Errichtung einer Abfalldeponie, weil Sie im Lebensraum gefährdeter Tierarten errichtet werden soll, so muss diese Einwendung bereits im vorangegangenen Beteiligungsverfahren vom Umweltverband vorgebracht worden sein.

Verfassungs­beschwerden

Gegen die Verletzung von Grundrechten kann Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht erhoben werden. Beschwerdeführer*innen können dort zum Beispiel geltend machen, dass der Staat ihre Grundrechte auf Informationsfreiheit (Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 GG) oder auf effektiven Rechtsschutz durch die Gerichte (Artikel 19 Absatz 4 GG) verletzt hat, wenn öffentliche Stellen den Zugang zu Umweltinformationen oder Klagerechten verweigern.

Wichtig ist, dass eine Verfassungsbeschwerde grundsätzlich erst dann möglich ist, wenn der Rechtsweg ausgeschöpft ist. Das bedeutet, dass Bürger*innen zuerst versuchen müssen, ihre Rechte vor den Behörden und den Gerichten (im Umweltbereich häufig Verwaltungsgerichten) durchzusetzen. Erst wenn es hier keine Möglichkeiten mehr gibt, ist eine Verfassungsbeschwerde zulässig. In Ausnahmefällen kann eine Verfassungsbeschwerde auch unmittelbar gegen ein Gesetz gerichtet werden, dann können sich Beschwerdeführer*innen direkt an das Bundesverfassungsgericht wenden.

Das Verfassungsbeschwerdeverfahren ist grundsätzlich kostenfrei. Bis zur Entscheidung kann es mehrere Jahre dauern.

Beschwerden können per Post oder per Fax übermittelt werden an:

Bundesverfassungsgericht, Postfach 1771, 76006 Karlsruhe

Fax-Nummern: +49 (721) 9101 382, +49 (30) 18 10 9101 382, +49 (30) 18 10 9101 383

Klimaschutz vor dem Bundesverfassungsgericht

Am 24. März 2021 hat das Bundesverfassungsgericht das Klimaschutzgesetz (KSG) aus dem Jahr 2019 für verfassungswidrig erklärt, weil das Gesetz die Reduzierung von Treibhausgasemissionen zu weit in die Zukunft verschob (sogenannter „Klimabeschluss“).[1] Das Gericht hat entschieden, dass Deutschland wegen der Ziele des Pariser Übereinkommens insgesamt nur noch eine gewisse Menge an Treibhausgasemissionen zusteht („Treibhausgasbudget“). Je später mit der Reduzierung von Emissionen begonnen wird, desto radikaler müssen Maßnahmen in der Zukunft sein (zum Beispiel Verbote bestimmter Produkte, Fernreisen usw.). Daher muss der Übergang zur Klimaneutralität rechtzeitig eingeleitet werden, damit nicht vor allem junge Menschen und künftige Generationen durch Maßnahmen zum Klimaschutz belastet werden.

[1] BVerfGBeschluss des Ersten Senats vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18 –, Rn. 1-270.

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