Jede*r hat ein Recht auf Beteiligung im Umweltbereich. Ein Großteil der nationalen Umweltpolitik und –gesetzgebung wird durch die Europäische Union geprägt. Daher unterhalten eine große Anzahl von Umweltverbänden Außenstellen in Brüssel, um sich an europäischen Verfahren und Prozessen zum Klima-, Umwelt- und Naturschutz zu beteiligen, die sich auf die Umwelt vor Ort direkt auswirken können.
Die Aarhus-Konvention auf EU-Ebene: Öffentlichkeitsbeteiligung
Bedeutende europäische Dachverbände, EU-Büros oder Netzwerke sind zum Beispiel:
Die Unionsordnung sieht eine Vielzahl an Beteiligungsinstrumenten vor. Die Mitwirkungsmöglichkeiten unterscheiden sich in ihrem Beteiligungscharakter, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten im zweistufigen europäischen Rechtssetzungsprozess möglich sind:
Tabelle oben: Zivilgesellschaftliche Beteiligungsmöglichkeiten auf unionaler und nationaler Ebene
Broschüre – Beteiligen – Beteiligungsrechte in der Europäischen Union zum Umweltschutz
Wenn Bürger*innen und Verbände einen neuen europäischen Rechtsakt auf den Weg bringen wollen, können sie eine Europäische Bürgerinitiative starten, eine Petition beim Europäischen Parlament einreichen. Außerdem können sie sich an informellen Formaten wie den europäischen Bürgerforen beteiligen.
Umweltverbände und Privatpersonen geben elektronisch Stellungnahmen zu einzelnen umweltbezogenen Rechtsakten sowie Plänen und Programmen der Europäischen Union ab (Online-Konsultationen).
Informationen zu weiteren Beteiligungsmöglichkeiten auf EU-Ebene, wie das Eurobarometer, Transparenzregister oder Bürgerwissenschaften, finden sie hier ab Folie 21.
Wie Bürger*innen und Verbände sich an deutschen Gesetzgebungs-, Planungs- und Zulassungsverfahren beteiligen können, ist hier zu finden.
Öffentliche Onlinekonsultationen
Zur „Öffentlichkeit“ zählen einzelne oder mehrere Personen, ihre Vereinigungen, Organisationen oder Gruppen (Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b Aarhus-Verordnung).
Die Europäische Kommission beteiligt die Öffentlichkeit an erarbeiteten Rechtsvorschriften und politischen Maßnahmen. Bürger*innen und Verbände können in allen europäischen Amtssprachen zu europäischen Umweltpolitiken und –rechtsakten auf dem Better Regulation Portal Stellungnahmen abgeben.
HAVE YOUR SAY
Die Öffentlichkeit kann sich an Fahrplänen, Plänen und Programmen, Folgenabschätzungen sowie an konkreten Verordnung- oder Richtlinienvorschlägen beteiligen.
Einige Beispiele aus dem Klimaschutzbereich sind:
- „2030 Climate Target Plan“ consultation – Feedback period 31 March 2020 – 23 June 2020;
- “Proposal for a[n amended Aarhus] regulation – COM(2020)642” consultation – Feedback period 15 October till 10 December 2020;
- “Modernising and simplifying the Common Agricultural Policy [CAP]” consultation – Feedback period 2 February 2017 till 2 May 2017;
- „Amendment of the EU Emissions Trading System (Directive 2003/87/EC)” consultation – Feedback period 29 October 2020 till 26 November 2020; and
- „Amendment of the Land Use, Land Use Change and Forestry Regulation (EU) 2018/841” consultation – Feedback period 29 October 2020 till 26 November 2020.
Ist die Europäische Kommission auf spezielles Fachwissen angewiesen, bietet sie bestimmten Interessengruppen weitere Formate zur Rückmeldung an, unter anderem:
- Online-Foren,
- gezielte Konsultationen,
- Sitzungen,
- Workshops,
- Seminaren und
- Diskussionsrunden mit kleinen und mittleren Unternehmen.
Öffentlichkeitsbeteiligung bei umweltbezogenen Plänen und Programmen von Unionsorganen
Die Unionsorgane sorgen bei der Vorbereitung, Änderung und Überprüfung von umweltbezogenen Plänen oder Programmen, wenn alle Optionen noch offen sind, durch geeignete praktische und/oder sonstige Vorkehrungen für frühzeitige und tatsächliche Möglichkeiten zur Einbeziehung der Öffentlichkeit (Artikel 9 Absatz 1 Satz 1 Aarhus-Verordnung).
Insbesondere sorgt die Europäische Kommission bei der Ausarbeitung von Vorschlägen für solche Pläne oder Programme, die anderen Unionsorganen zur Entscheidung vorgelegt werden, für die Beteiligung der Öffentlichkeit in dieser Vorbereitungsphase (Artikel 9 Absatz 1 Satz 2 Aarhus-Verordnung).
„Umweltbezogene Pläne und Programme“ sind die, die
- von einem Unionsorgan ausgearbeitet und gegebenenfalls angenommen werden,
- aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften erstellt werden müssen, und
- einen Beitrag zum Erreichen der Umweltaktionsprogramme festgelegten umweltpolitischen Ziele der Union leisten oder erhebliche Auswirkungen auf das Erreichen dieser Ziele haben können.
Allgemeine Umweltaktionsprogramme sind ebenfalls umweltbezogene Pläne und Programme. Mehr Informationen zum aktuellen Umweltaktionsprogramm, engl. Environment Action Programme, ist auf der Seite der Europäischen Kommission zu finden.
Ausdrücklich ausgeschlossen sind Finanz- oder Haushaltspläne und -programme, insbesondere solche, die die Finanzierung bestimmter Projekte oder Tätigkeiten betreffen oder im Zusammenhang mit dem vorgeschlagenen Jahreshaushalt stehen, interne Arbeitsprogramme eines der Unionsorgane oder Notfallpläne und -programme, die ausschließlich dem Katastrophenschutz dienen (Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe e Aarhus-Verordnung).
Bei der Vorbereitung ermitteln die EU-Organe die Kreise der Öffentlichkeit, die von den Plänen oder Programmen (wahrscheinlich) betroffen sind oder die ein Interesse an diesen Plänen oder Programmen haben (Artikel 9 Absatz 2 Aarhus-Verordnung). Gleichermaßen stellen die Organe sicher, dass der Kreis der Öffentlichkeit entweder durch öffentliche Bekanntmachung oder auf anderen geeigneten Wegen, wie elektronische Medien, soweit diese zur Verfügung stehen, unterrichtet werden (Artikel 9 Absatz 3 Aarhus-Verordnung). Über Folgendes ist zu unterrichten:
- den Vorschlagsentwurf (Buchstabe a),
- die Umweltinformationen oder die Umweltprüfung, die für die in Vorbereitung befindlichen Pläne oder Programme bedeutsam sind (Buchstabe b), und
- die praktischen Vorkehrungen für die Beteiligung (Buchstabe c), einschließlich
- der Verwaltungseinheit, bei der die Informationen erhältlich sind,
- der Verwaltungseinheit, an die Anmerkungen, Stellungnahmen oder Fragen gerichtet werden können, und
- angemessene Fristen, die der Öffentlichkeit ausreichend Zeit geben, um sich zu informieren und sich wirksam auf das umweltbezogene Entscheidungsverfahren vorzubereiten und daran zu beteiligen.
Bekanntgabe der Beteiligung und Stellungnahmefristen
Einzelpersonen und Verbände haben mindestens acht Wochen Zeit, ihre Stellungnahmen einzureichen. Veranstaltet ein Unionsorgan eine Versammlung oder Anhörung, so hat sie diese mindestens vier Wochen im Voraus bekannt zugeben. Die Fristen können nur in dringlichen Fällen oder wenn die Öffentlichkeit bereits die Möglichkeit hatte, zu den betreffenden Plänen oder Programmen Stellung zu nehmen, verkürzt werden (Artikel 9 Absatz 4 Aarhus-Verordnung).
Berücksichtigungspflicht der Ergebnisse der Beteiligung
Die Unionsorgane berücksichtigen bei den Entscheidungen über umweltbezogene Pläne oder Programme die Ergebnisse der Öffentlichkeitsbeteiligung in angemessener Weise. Die Organe unterrichten die Öffentlichkeit über den jeweiligen Plan oder das jeweilige Programm einschließlich des betreffenden Textes sowie über die Gründe und Überlegungen, auf die sich die Entscheidung stützt. Dabei sind auch Angaben über die Öffentlichkeitsbeteiligung zu machen (Artikel 9 Absatz 5 Aarhus-Verordnung).
Informelle Beteiligungsformate
Die Konferenz zur Zukunft Europas ist ein aktuelles Beispiel dafür, wie das Europäische Parlament, der Rat und die Europäische Kommission europäischen Bürger*innen und Umweltverbänden die Gelegenheit bietet, über ein informelles Format die Herausforderungen und Prioritäten Europas zu erörtern. Die Konferenz erarbeitete bis zum Frühjahr 2022 Schlussfolgerungen mit Leitlinien für die Zukunft Europas. Das Europäische Parlament, der Rat und die Europäische Kommission haben sich verpflichtet, die Europäer*innen anzuhören und den Empfehlungen zu folgen.
Zu folgenden Themenbereichen könnten sich Europäer*innen einbringen:
- Klimawandel und Umwelt,
- Gesundheit,
- Demokratie in Europa,
- Digitaler Wandel und
- Werte und Rechte sowie Rechtsstaatlichkeit.
Bestandteile der Konferenz waren
- Digitale Plattformen,
- Dezentrale Veranstaltungen,
- Europäische Bürgerforen und
- Plenarversammlungen der Konferenz.
Mehr Informationen zu den Ergebnissen der Konferenz finden sie hier.
Ein ähnliches informelles, dialogisches Format im Umweltbereich auf Bundesebene war in Deutschland der Bürgerrat Klima.
Eine umfangreiche Übersicht zu Bürgerräten weltweit finden Sie hier.
Petition an das Europäische Parlament
Alle Bürger*innen oder Verbände verfügen über ein Petitionsrecht (Artikel 227 AEUV). Sie können jederzeit eine Petition an das Europäische Parlament richten. Je mehr Unterzeichner*innen eine Petition aufweist, umso größer ist die Erfolgswahrscheinlichkeit.
Individuelle Beschwerden, allgemeine Anliegen oder auch Aufforderungen an das Europäische Parlament können Gegenstand einer Petition sein. Alleinige Voraussetzung ist, dass die Petition einen Bezug zu den Aktivitäten der Europäischen Union haben muss.
Formelle Anforderungen
Petitionen können über den Postweg oder online eingereicht werden. Sie müssen in einer der europäische Amtssprachen verfasst sein. Petitionen müssen Namen, Staatsangehörigkeit, Beruf und Wohnsitz enthalten. Das Anliegen der Petition muss begründet sein und gegebenenfalls dokumentiert werden.
Postalische oder elektronische Einreichung an:
Vorsitz des Petitionsausschusses
Europäisches Parlament
B-1047 Brüssel
E-Mail: peti-secretariat@europarl.europa.eu
Auf dem Petitionsportal des Europäischen Parlaments können Sie Petitionen einreichen oder unterstützen!
Der Petitionsausschuss prüft die an ihn gerichtete Petition und entscheidet, was damit geschehen soll.
Berücksichtigung der Ergebnisse des Petitionsverfahrens
Die Ergebnisse des Petitionsverfahrens sind nicht verbindlich, können aber eine starke politische Wirkung auf Europäische Kommission oder Mitgliedstaaten entfalten.
Eine Petition kann ein Weg sein, um das Europäische Parlament zu bestimmten Handlungen aufzufordern, z. B. eine Resolution zu einem Thema zu verabschieden oder bestimmte Aspekte in Rechtsakten zu verankern.
Wenn einer Petition nach der Prüfung durch den Petitionsausschuss stattgegeben wird, wendet sich der Ausschuss an die Europäische Kommission als „Hüterin der Verträge“, die die Einhaltung des Unionsrechts überwacht. Die Kommission kann unter anderem eine nationale Behörde vor dem Europäischen Gerichtshof wegen eines Verstoßes gegen Unionsrecht verklagen.
Europäische Bürgerinitiative
Die Europäische Bürgerinitiative ist ein Beispiel für ein direktdemokratisches Instrument, um Einfluss auf die europäische Klima-, Umwelt- und Naturschutzpolitik zu nehmen.
Die Registrierung einer Initiative erfolgt durch eine Organisationsgruppe aus mindestens sieben Personen, die in sieben verschiedenen EU- Mitgliedstaaten wohnen. Die Gruppe muss in zwölf Monaten eine Million Unterschriften von EU-Bürger*innen sammeln. Personen können die Initiative mit einer Unterschrift unterstützen, sobald sie das in ihrem Land geltende Mindestalter für die Wahlen zum Europäischen Parlament erreicht haben. Unabhängig davon steht es den Mitgliedstaaten frei, das Mindestalter für die Unterstützung einer Initiative auf 16 Jahre festzulegen.
Europäische Bürgerinitiativen können auf der Online-Plattform der Europäischen Union angemeldet werden!
Die Europäische Kommission hat sechs Monate Zeit, um die Initiative auf Zulässigkeit zu prüfen und Stellung dazu zu nehmen. Die Gesetzesinitiative ist jedoch rechtlich nicht bindend. Die Kommission kann sie komplett oder in Teilen annehmen oder gänzlich ablehnen. Die Organisator*innen der Bürgerinitiative erhalten zudem die Möglichkeit, ihr Anliegen dem Europäischen Parlament vorzustellen.
Der hohe zeitliche, finanzielle und organisatorische Aufwand einer Europäischen Bürgerinitiative stellt hohe Hürden für Einzelpersonen und kleine Interessengruppen dar.
Das deutsche Pendant auf Länder- und Kommunalebene zur Europäischen Bürgerinitiative sind die Volks- bzw. Bürgerinitiativen und -begehren.